Fuss_in_der_Zwinge

In der Wochenendausgabe vom 31.3.2012 berichtet die Süddeutsche über ein Projekt des österreichischen Forschungsteams „Kinderfüße-Kinderschuhe“

Eingepferchte Zehen

Jedes zweite Kindergartenkind trägt zu kleine Schuhe

„Die passen prima, das sind meine Lieblingsschuhe“, sind Kinder häufig überzeugt. ‚Selbst dann, wenn sie Schuhe anhaben, die ihnen drei Nummern zu klein sind‘, sagt Wieland Kinz. Der Salzburger Sportwissenschaftler beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Kinderschuhen und präsentiert nun erschreckende neue Ergebnisse, die er in vier Ländern mit Hilfe von 9245 Kindergartenkindern erhalten hat. Demnach tragen 40,4 Prozent dieser Kinder zu kleine Straßenschuhe; und von den Hausschuhen sind 59,4 Prozent zu kurz.

„Dabei stecktenMädchen noch häufiger als Buben in zu kurzen Schuhen“, sagt Kinz. Die Kinder merken das meist nicht einmal, weil ihre Füße noch sehr formbar sind. Doch die Folgen lassen nicht lange auf sich warten: In einer früheren Studie hat Kinz bei drei von vier Kindern Fehlstellungen des großen Zehs entdeckt, die sich zum Hallux valgus auszuwachsen drohen, der ebenso gefürchteten wie schmerzhaften, nach innen weisenden Schiefzehe.

Nun werden viele Eltern der Meinung sein, ihren Sprösslingen könne das nicht passieren, weil sie auf gutes Schuhwerk achten. Doch die Ansprüche der Orthopäden an passende Schuhe sind hoch. Demnach sollten diese innen mindestens zwölf Millimeter länger sein als die Füße, weil sich die Füße beim Laufen ausbreiten. Die Initiative ‚Kinderfüße – Kinderschuhe‘ empfiehlt daher, beim Kauf sogar 17 Millimeter Platz nach vorn zu lassen, damit die Schuhe ein paar Monate passen. Kinderfüße wachsen ab dem vierten Lebensjahr etwa einen Millimeter pro Monat. Statt Hausschuhe sollten Kinder ruhig Antirutschsocken tragen, sagen die Wissenschaftler. Das hätte auch den Vorteil, dass die Füße atmen können und nicht den ganzen Tag in starren Strukturen eingepfercht seien.

Erschwert wird der Kauf richtiger Schuhe durch die oft fehlerhafte Auszeichnung. Einer Untersuchung zufolge sind 97 Prozent der Kinderschuhe kleiner, als es der angegebenen Schuhgröße entspräche. Orthopäden empfehlen daher, die Schuhe innen zu messen – oder eine Pappschablone von den Kinderfüßen mit zwölf Millimetern Zugabe anzufertigen und sie in den Schuh zu legen. Die Kinder selbst helfen nämlich nicht mit, dass sie die richtigen Schuhe bekommen: „Die ziehen die Zehen ein, wenn man vorne draufdrückt“, sagt Kinz. Es hat dann also nur den Anschein, als sei da Platz im Schuh. CHRISTINA BERNDT